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Studiobühne Bayreuth zeigt „DER RING – rebooted“ frei nach Richard Wagner

RING - rebooted, Rheingold, Foto: Thomas Eberlein

Im Steingraeber Hoftheater fand die Uraufführung von „DER RING rebooted“ von Uwe Hoppe statt. Wie Uwe Hoppe meint, sei der RING ein so großes und universelles Werk, dass es durchaus alle fünf Jahre neu interpretiert werden könne. Und er hat recht. Wie er den Ring des Nibelungen nach Wagner in die heutige Zeit mit seinen Kriegen und Konflikten, angefangen von dem Nahost-Krieg, Ukraine und den Spannungen in Asien, transformiert, ist absolut stimmig. Auch der Klimawandel oder die Ausbeutung der seltenen Erden mit ihren wenig Hoffnung machenden Auswirkungen wird zum Thema.

So ist unsere gute alte Erde zu einem Spielball von Machtinteressen geworden und ihre Ausbeutung geht unaufhaltsam voran. Besonders die Figur Alberich (ein sehr tiefgründiger und böser Frank Joseph Maisel), der anfangs das Rheingold stiehlt, zeigt brutal und skrupellos seine Gewissenlosigkeit. Doch er ist in der Neufassung und der Inszenierung nicht allein. Der RING, das Symbol für unbegrenzte Macht, ist verflucht. Alle, die in seinen Bann gezogen werden, verändern sich zu berechnenden Akteuren. Wie es eben auch den heute agierenden Autokraten oder Tech-Giganten vollkommen egal ist, was aus den nachfolgenden Generationen wird. Dafür stehen besonders die Rollen Alberich, Wotan (Jürgen Skambraks gewaltig, donnernd und später gebrochen) und Hunding (Oliver Hepp auch als Hagen sehr wandelbar und überzeugend) und Fricka (Conny Trapper, sehr resolut und manipulierend), die ihren Gott-Gatten manipuliert.
Unterstützt werden die mächtigen Macher durch ihre Erfüllungsgehilfen wie Brünnhilde, Waltraute oder Hagen.

RING – rebooted, Rheingold, Foto: Thomas Eberlein

Am Anfang spielen die Rheintöchter naiv und selbstverliebt wie It-Girls in den Fluten des Rheins. Als tanzende Showgirls (Anette Zeus, Maria Weber und Anne Christoph sehr engagiert, sie glänzen auch in ihren weiteren Rollen) streamen sie ihre Einlagen und werden so von Alberich entdeckt, der ihnen brutal das Rheingold raubt. Und schon nimmt das Unheil seinen Lauf. Hoppes Fassung bleibt bei den Inhalten sehr werktreu, und gleichzeitig ist die Übertragung in die aktuellen Herausforderungen konsequent und wird durch eine klare, teils scharfe oder brutale Sprache unterstützt.

Am Ende von „Walküre“ vor der Pause bleibt ein Satz, der vieles zusammenfasst: Wotan: „Als Soldatin hast du kein Gewissen zu haben.“ Brünnhilde antwortet: „Daran krankt die ganze Welt.“

RING – rebooted, Walküre, Foto: Thomas Eberlein

Das Bühnenbild verzichtet bis auf einen Hocker auf weitere Gegenstände oder Einrichtung. Ganz im Sinne Wieland Wagners, der konsequent die Bühne für Wagner entrümpelte. Es ist einfach eine Scheibe mit den eingefrästen Jahresringen eines Baums. Ist es der Weltenbaum? Ist es eine schwerelose Scheibe im Universum? Jedenfalls funktioniert es für die Inszenierung zusammen mit Lichtakzenten, Nebel und den dezenten und stimmigen Kostümen von Heike Betz.

Mut zur Lücke
Mit diesem Leit-Gedanken könnte man den Abend im Steingraeber Hoftheater bezeichnen. Zum einen hat die Original-Tetralogie in ihrer Handlung Sprünge von vielen Jahren, also Lücken. Auch ein Wotan ist im Laufe des Stücks zunehmend weniger souverän, muss also improvisieren und zeigt Mut zur Lücke, was von den Ergebnissen her gesehen nicht belohnt wird. Der wesentliche Aspekt zeigt sich aber vom Ensemble: Am Tag vor der Premiere fiel der Darsteller Alexander Vanheiden aus und Lukas Stühle übernahm mit Textbuch bewaffnet die Rolle des Siegfried. Eben Mut zur Lücke, wenn die passende Textstelle gefunden werden will. Das macht er großartig mit einem Mimen- und Augenspiel, das nichts vermissen lässt. Eine Szene sorgt für den größten Lacher. Siegfried kommt wieder auf die Bühne, muss in seinem Text erst einmal einige Seiten weiterblättern und findet dann im passenden Timing seinen Einsatz: „Mut zur Lücke“.

Das spielfreudige Ensemble zeichnet sich wieder durch eine hohe Qualität von schauspielerischer Leistung und Gemeinschaft aus. Das ist umso mehr zu würdigen, weil die meisten Darsteller drei bis fünf Rollen ausfüllen. Hier sind auch Julian Krumm und Anne Christoph als Sigmund und Sieglinde für ihr energiereiches Spiel zu nennen.

Nur einer ist der Macht des Ringes nicht erlegen: Siegfried. Doch kann er die Erde, die Götterschar oder unsere Gesellschaft retten? Im zweiten Teil läuft Tillmann Hamel als Mime zur Höchstform auf. Gelenkig, zerfahren und fast in Slapstick-Art führt er den Dialog mit Siegfried, wie Nothung, das zerborstene Schwert, repariert werden könne.

RING – rebooted, Götterdämmerung, Foto: Thomas Eberlein

Eine bewegende Szene der Inszenierung soll noch beschreiben werden: Am Ende, wenn Brünnhilde pathetisch mit dem RING ins Feuer reitet, sterben durch eine gekonnte Choreoraphie alle Figuren innerhalb einer halben Minute. Nur Brünnhilde (Annette Zeus, nur einer ihrer glänzenden Momente mit viel Energie) hält einen intensiven Monolog. Es werden alle 11 verbleibenden Personen mit einem schwarzen Tuch bedeckt, und sie legt jeder eine Sonnenblume in die Hand. Es kommt in gedämpften Licht (gute Lichtregie von Simon Opitz) natürlich bester Theaternebel auf und in der durchscheinenden Nebelsuppe richten sich die Sonnenblumen auf. Unterstützt von den Schlussakkorden der Götterdämmerung schafft der Regisseur einen beeindruckenden und intensiven Schluss. Der lässt das Publikum noch für einige Sekunden still dasitzen. Dann aber bricht er los, der Applaus und der Jubel für Ensemble und Produktion.
Bleibt noch Hoffnung? Vielleicht.

Text: Joachim Skambraks, Die Stimme Bayerns – Chefredaktion
Fotograf: Thomas Eberlein, Studiobühne Bayreuth

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