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9. August 2021„Der Fliegende Holländer“ von Richard Wagner in der Neuproduktion der Bayreuther Festspiele 2021
„Der Fliegende Holländer“ von Richard Wagner in der Neuproduktion der Bayreuther Festspiele 2021
Bereits im Vorfeld wurden einige Überraschungen in der Neuinszenierung der romantischen Oper „Der Fliegende Holländer“ versprochen. So beginnt die Neuproduktion am Grünen Hügel mit der opulenten Ouvertüre und ist ein Fest für die Ohren auch Dank dem Dirigat von Oksana Lyniv, der ersten Frau, die im Festspielhaus Bayreuth die musikalische Leitung inne hat.
Doch was passiert auf der Bühne? Die Frage beantwortet das Team um den Regisseur Dmitri Tcherniakov so: In einer zeitlosen Häuserkulisse einer nebeligen Stadt träumt der junge Holländer einen immer wiederkehrenden Traum. Daland betrügt seine Frau mit einer Geliebten und der Junge muss mit ansehen wie sich die Lust Dalands in Abkehr und Gewalt verändert. Sie ist die Mutter des Holländer und von der Gesellschaft geächtet und verstoßen wählt sie einen tragischen Weg: Sie erhängt sich vor den Augen ihres Kindes.
Nach dieser Vorgeschichte kommt der Holländer nach vielen Jahren zurück in seine Heimatstadt mit einem Ziel: Rache zu nehmen.
Die Handlung nimmt ihren Lauf und der Holländer klagt über seinen Fluch und fragt Daland nach einer Unterkunft für eine Nacht. Als Gegenleistung verspricht er Reichtümer und seltene Schätze. Die Rede kommt auch auf die Tochter und der geschäftstüchtige Daland greift auch hier schnell zu und gibt dem Holländer sein Wort ihm die Tochter als Frau zu geben.
Georg Zeppenfeld singt und spielt einen überzeugenden Daland während John Lundgrens Stimme dem Holländer eine eher fahle und unheimliche Persönlichkeit verlieht. Beide sind vom Gesang und dem szenischen Spiel her betrachtet eine großartige Wahl.
Im zweiten Aufzug findet die Szene nicht in der traditionellen Spinnstube statt, sondern als Chorprobe mit Mary (Marina Prudenskaya ausdrucksstark und gewandt) als Chorleiterin. Und hier ist es Senta, die die anständigen und guten Frauen aus dem Konzept bringt. Senta von der Sopranistin Asmik Grigorian glänzend verkörpert und gesanglich herausragend mit einer starken Stimme. Gleichzeitig merkt man die gute Arbeit des Regisseurs. Grigorian weiß nicht nur gesanglich zu begeistern, sie setzt auch schauspielerisch großartige Akzente mit viel Liebe zum Detail.
Die Senta dieser Inszenierung will so gar nicht zum dem Frauenbild Richard Wagners passen. Sie verliebt sich nicht aus Mitleid und wird auch nicht durch ihre Opferbereitschaft zur Erlöserin des Holländers. Nein, ihre Sätze und ihr Spiel drücken Zynismus, Frechheit und Retinenz aus. Die Liebesbekundungen als sie auf den Holländer trifft sind eher spöttisch und provokativ. Man könnte meinen sie verlacht einen alten Sack.
Besonders das vermeintliche Liebesduett zeigt die Hoffnung des Holländer auf Erlösung und vielleicht auch erfüllte Rache und auf der anderen Seite: Eine Senta, die über das lachen muss, was sie da gerade singt. So als könnte sie es selber nicht glauben, welche romantischen Ergüsse sie von sich gibt. Es ist eine der zentralen Szenen der Inszenierung und man bekommt eine Ahnung, das diese Oper nicht so ausgehen wird wie herkömmliche Inszenierungen. Besonders Mary ist es anzusehen, dass ihr die versprochene Verlobung so gar nicht gefallen will. Schmiedet sie einen Plan?
Da haben wir noch Erik, der sich bis jetzt berechtigte Hoffnungen gemacht hat, Senta als Frau nehmen zu können. Er redet (gesanglich überzeugend mit viel Energie Eric Cutler) deutlich ins Gewissen. Diese reagiert weniger mit Einsicht, eher mit gesteigertem Trotz. Mann könnte aber auch meinen, dass ihr ab und zu bewusst wird, in welche Lage sie sich selber manövriert.
Es beginnt das Fest der Seeleute mit der geplanten Verlobung. Hier zeigt sich wiederholt die Stärke des Chores, der leider nur zur Hälfte auf der Bühne und sonst von einem Probenraum übertragen wird. So verliert das Volumen an Resonanz.
Doch Senta ist entsetzt als der Holländer einem Amoklauf gleich mehrere Seemänner wahllos erschießt. Erik versucht ein weiteres Mal sie von der Verlobung abzubringen. Doch sie hat sich mit ihrem Trotz in etwas verrannt und ist konsequent. Als sich der Holländer mit großen Pathos verabschiedet und sein Schiff besteigen will, tritt eine verzweifelte Mary auf.
Das Ende dieses „Fliegenden Holländers“ ist von Wagner so nicht geschrieben worden. Mary erschiesst zum Ende den Holländer gezielt und beabsichtigt und verfällt schließlich in einen Wahn und Verzweiflung. Getröstet und gestützt wird sie von Senta. Und noch eine Frage stellt sich: Wie kann der Holländer sterben, wenn sein Fluch nicht durch die treue Liebe einer Frau erlöst ist?
Die Reaktion des Publikums fällt wie so oft in Bayreuth aus: Die Sänger, Chor, Dirigentin und Orchester werden gefeiert. Auf der anderen Seite spendet es dem Team der Inszenierung wenig Applaus, Distanz und viele Buh-Rufe für die neuen und bedenkenswerten Ideen der Regie.
Doch als beim Schlußapplaus Asmik Grigorian allein vor den Vorhang für ihr Debüt bei den Festspielen tritt, weiß das Publikum ihren Auftritt angemessen zu honorieren: Es bricht Jubel aus.
Fotos: Bayreuther Festspiel / Enrico Nawrath – Text: Joachim Skambraks / Stimme der Hauptstadt Redaktion München