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Studiobühne Bayreuth feiert viel gelobte Premiere mit „Die Befristeten“ von Elias Canetti

Die Befristeten von Elias Canetti: Frank Müller als Kapselan - Foto: Thomas Eberlein

Das Theaterstück von Elias Canetti „Die Befristeten“ dreht sich um ein Gedankenspiel: Was wäre, wenn ihre Lebenszeit bereits von Geburt an fest steht und die verbleibende Zeit befristet ist? Würden sie ihr Leben planen und das Beste daraus machen? Oder: Nehmen sie es hin und nutzen die noch geringere Zeit von anderen, um ein angenehmes Restleben zu führen? Hart wird es, wenn dieses Gedankenspiel in weitere Extreme gedacht wird: Wenn zum Bespiel ein Kind nur 12 Jahre leben darf oder ein Liebespaar den Tod der Frau in nur wenigen Tagen erwarten muss.

Die Befristeten: Frank Ammon und Michaela Beuschel als Oma und Enkelin – Foto: Thomas Eberlein

Ein anderer Aspekt ist ist die Partnerwahl. So unterscheiden Männer und Frauen auf dem Heiratsmarkt zwischen niederen und hohen Partnern je nach zukünftiger Lebenserwartung. Soll ich als Mann oder Frau alle paar Jahre einen neuen Partner wählen oder ist die Variante einer längeren Lebensplanung die vorteilhaftere?

Das Stück baut lange keinen Spannungsbogen mit einer großen Fallhöhe auf. Nein, dagegen beleuchten viele Facetten und Einzelszenen das Thema in sinnlichen Dialogen und berührenden Einzelschicksalen. Hier setzt die Regisseurin Marie-Luise Müller den Schwerpunkt: Das persönliche Leid, das Schicksal der Menschen und auch deren Freude darzustellen und emotional nachvollziehbar zu machen. Genau das geht dem Publikum ans Herz. In der Pause und nach der Vorstellung wird heftig und betroffen über das angebotene Thema diskutiert. So kann Theater wirken.

Doch in der zweiten Halbzeit stehen zwei Wandlungen an: Ein „Retter“ stellt das System in Frage und darf trotz hartem Schuldspruch des sogenannten Kapselan, majestätisch gegeben von Frank Müller, einfach weiterleben. Und dieser Kritiker gibt immer noch nicht auf. Gemeinsam mit seinem Freund entlarvt er das System: Die Kapseln, die jeder Mensch von Geburt an tragen muss, enthalten – nichts. Auch nicht das vorgegebene Datum des Augenblicks, wie der Todeszeitpunkt harmlos genannt wird.

Die Befristeten von Elias Canetti: Mathias Leitloff und Jürgen Fickentscher, die beiden Freunde – Foto: Thomas Eberlein

Aus dem Dialog der beiden Freunde, eindringlich dargestellt von Mathias Leitloff und Jürgen Fickentscher, erfahren die Zuschauer von der Härte des Systems und erleben das Wechselbad der Gefühle beider Protagonisten.

Ein weiteres Paar auf der Bühne sorgt für einen weiteren Höhepunkt. Zwei Frauen kokettieren miteinander und gegeneinander, schnippisch gespielt von Michaela Beuschel und Sylvia Lauterbach. Hier bringt der Dialog die Partnerwahl der Damen auf den Punkt. Kurzzeitehe oder lange Partnerschaft.

Wenn wir die in die Farbpsychologie gehen, so steht die Farbe Blau für Gewissenhaft und Richtlinien mit denen eben auch die Zeit gemessen wird. Alle Kostüme von Ruth Pulgram sind kreativ in Blau gehalten, das die Gleichmacherei der Gesellschaft unterstreicht. Wie in vielen Inszenierungen der Studiobühne Bayreuth lebt die Aufführung von der Leistung des gesamten Ensembles. Deshalb sollen hier auch die weiteren Akteure genannt werden: Frank Ammon, Johannes Fleckenstein, Tina Leistner und Pierre Soldatenko.

Tina Leistner, Johannes Fleckenstein, Mathias Leitloff – Foto: Thomas Eberlein

Auch wenn der Nobelpreisträger Elias Canetti keine Lösung entwirft, so könnte man die beiden Systeme der Lebenszeit miteinander abwägen. Dann bleibt ein Aufruf zur Motivation: Jeden Augenblick und Lebensteil zu gestalten und zu genießen.

Text: Joachim Skambraks, Die Stimme Bayerns – Chefredaktion
Fotograf: Thomas Eberlein, Studiobühne Bayreuth

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